Kürzlich erreichte mich eine Nachricht von einer Frau, die mich fragte, ob ich einmal über Yang-Aufbau bei ausgebranntem Yang schreiben würde. Das daoistische Verständnis von Yin- und Yang-Aufbau erscheint uns manchmal möglicherweise nicht ganz so logisch, obwohl es das ist. Denn tatsächlich geht es bei ausgebranntem Yang nicht darum, das Yang zu nähren sondern das Yin.
Yin und Yang als Energie
Ein Ungleichgewicht in unserem Körper entsteht zunächst immer auf energetischer Ebene bis es sich in unserem Körper als Symptom zeigt. Deshalb spielt unser Lebensstil eine so große Rolle und wieviel Raum Yin und Yang in unserem Leben haben. Yin ist die Qualität, die Leben gebährt und erhält. Yin ist die weibliche Qualität des Bewahrens, des Speicherns und Behütens. Yang als männliches Prinzip hat die Aufgabe des Impulsgebers. Sein Naturell ist heiß, aktiv, bewegt und dynamisch. Ich meine, Yin behütet das Leben und durch das Yang wird das Leben als pulsierender Strom sichtbar, erlebbar, greifbar. Yin und Yang sind voneinander abhängig und bedingen einander.
Das Yang-Hamsterrad der Frauen
In unserer Erlebenswelt hat Yang einen sehr hohen Stellenwert. Das männliche Prinzip zeigt sich sehr präsent in unserer Gesellschaft durch die Technik und Digitalisierung, durch Aktivität, das Leistungsprinzip, Analytik, Fakten und Zahlen, Schnelligkeit, aber vielfach auch in Schattenaspekten des Yang wie Konkurrenzkampf, Machthaberei, (Leistungs)Druck und Stress. Das Yin-Prinzip als Gegenpol mit seinen Qualitäten von Intuition, Weichheit, Hingabe, Langsamkeit, Ruhe und Miteinander spielt aktuell noch eine eher untergeordnete Rolle. Das Yin-Prinzip ist vielen Frauen wenig bis gar nicht bekannt, allenfalls vielleicht aus der Yoga-Stunde.
Yin-Mangel und Yang-Überschuss
Daniela Hutter erforschte, dass eine Yang-Dominanz für uns Frauen ganz wesentliche Auswirkungen hat, weil wir Frauen dadurch unseren naturgemäßen Platz des Yin verlassen, wenn wir in unserem Alltag zunehmend den Platz des Yang in unseren Rollen einnehmen.
Diese Erkenntnis ist augenöffnend, erfordert aber auch mehr als unser Hinsehen. Denn viele Frauen sind permanent dabei, ein Defizit an Energie auszugleichen und hangeln sich von Wochenende zu Wochenende oder von Urlaub zu Urlaub. Trost schenken oft nur Gedanken wie diese: „Wenn die Kinder größer sind, wird alles besser…“
Die wertvollen Yin-Ressourcen können aber nicht dadurch gefüllt werden, indem wir unsere Selbstfürsorge und das Yin auf später verschieben.
Die Öllampe – Yin und Yang

Vielfach in meinen Blogbeiträgen habe ich das Bild von der Öllampe erwähnt und gezeigt, dessen Bedeutung in vielen TCM-Ausbildungen vermittelt wird. Das Öl in der Schale symbolisiert das Yin, die Flamme steht für das Yang. Je mehr das Öl in der Schale versiegt, desto kleiner wird die Flamme. Ist die Schale leer, kann die Flamme nicht mehr brennen. Wir brennen buchstäblich aus.
Aus der einstigen überschüssigen Hitze ergibt sich früher oder später ein Yang-Mangel, der sich unter anderem durch Erschöpfung und Antriebslosigkeit zeigt und sich auch als Yin-Mangel manifestieren kann (innere Unruhe, Nervosität, leere Hitze).
Damit unser Feuer wieder brennen kann, braucht es also den Aufbau des Yin als nährende Basis und diesen bedarf es vor allem in unserem Lebensstil. Das Yin nährt sich beispielsweise durch mehr
- Zeit für´s Nichtstun anstatt den Tag vollzuplanen.
- Langsamkeit anstatt sich abzuhetzen.
- Miteinander anstatt Alleinkämpfe auszufechten oder sich aufzuopfern.
- Genuss anstatt Checklisten.
- Entspannung als Anspannung.
- Ruhe anstatt Ablenkung.
Mehr über Yin und Yang kannst du auch hier nachlesen.
Ein verbranntes Yang hat also immer seinen Ursprung in einem versiegten Yin-Gefäß. Die Flamme der Öllampe kann ohne Yin nicht brennen. Wir können das Feuer nicht entzünden, wenn die Trägerflüssigkeit fehlt. Wenn wir uns also antriebslos und leer fühlen, dann ging den typischen Erschöpfungssymptomen meist eine lange Yin-Durststrecke voraus z. B. durch zu viel Yang in unserem Beruf.
Vielleicht denkst du dir jetzt: „Ja schön und gut Regina, aber mein Tag ist eh schon so voll. Wie soll ich mir Zeit nehmen für´s Nichtstun?“
Dann möchte ich dich daran erinnern: Wenn wir verliebt sind, sind wir alle in der Lage, Zeit zu mobilisieren – egal wieviel Stress wir in unserem Alltag haben. Wenn wir verliebt sind, möchten wir nämlich so viel Zeit wie möglich mit unserem oder unserer Liebsten verbringen. Und dafür schaffen wir es, Zeit freizuschaufeln – egal wie gefüllt unser Tag ist.
Der Schlüssel ist also, sich für das Yin zu öffnen und Yin in dein Leben einzuladen. Lernt euch kennen und du wirst spüren: Da ist mehr. Ganz bestimmt verliebst du dich ins Yin. Und möglicherweise auch (wieder) in dich selbst. Welch wunderbare Voraussetzung für mehr Yin und Selbstfürsorge in deinem Leben.